Sport Austria - Interessenvertretung und Serviceorganisation des organisierten
Sports in Österreich.

Effekte der Mitgliedschaft im Sportverein auf die Gesundheit

Eine Literaturstudie der ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bundes-Sportorganisation

1. Ausgangspunkt und Fragestellung

Gesundheit umfasst körperliches und seelisches sowie soziales Wohlbefinden. Während die positiven Wirkungen des Vereinssports auf die Gesundheit aus physiologischer Sicht vielfach präsentiert wurden, sind psychosoziale Aspekte bisher nur wenig in der Öffentlichkeit thematisiert worden.

Daher wurde, ausgehend von der Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO 1946), in welcher Gesundheit als „[…] Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens […]“ beschrieben wird, ein Literaturreview durchgeführt. Beim Review wurden bereits vorhandene Forschungsergebnisse aus relevanten Forschungsbereichen (z. B. Public Health, Sportwissenschaft) zu den Effekten der aktiven Mitgliedschaft in einem Sportverein auf die Gesundheit der Mitglieder analysiert, zu Kernaussagen zusammengefasst und anschließend medizinisch bewertet.

Als innovativer Forschungsansatz wurde das Augenmerk auf das psychosoziale Wohlbefinden gelenkt, da sich die bisherige Argumentation („Sport ist gut für die Gesundheit“) fast ausschließlich auf die gut belegten Effekte auf physiologische Parameter (z. B. Herz-Kreislauf-System) beschränkt. Doch besonders die soziale Komponente der Ausübung von Sport und Bewegung im Sportverein – im Gegensatz zum selbstorganisierten Sporttreiben – und die damit verbundenen positiven Effekte werden aufgrund der engen Sichtweise deutlich unterschätzt. Der Sportverein weist in diesem Bereich ein Alleinstellungsmerkmal auf, das in der (öffentlichen) Diskussion noch nicht ausreichend kommuniziert wird.

2. Fachlicher Hintergrund

Soziales Wohlbefinden ist ein bedeutender Teil der menschlichen Gesundheit. Menschen mit intakten sozialen Kontakten bzw. Beziehungen können besser mit gesundheitlich belastenden Verhältnissen umgehen und Stress verarbeiten. Hingegen wirkt sich das Fehlen sozialer Beziehungen sehr negativ auf die Gesundheit aus. So zeigen Studien, dass sozial isolierte Personen ein doppelt so hohes Risiko haben an einem Herzinfarkt zu sterben wie sozial integrierte Personen (Smith & Christakis 2008). Hingegen wird durch das Pflegen sozialer Kontakte („Netzwerke“) das Demenzrisiko verringert (Pillai & Verghese 2009), der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen gefördert und das Gesundheitsverhalten positiv beeinflusst (Crooks et al. 2008).

3. Methode

Zur Identifikation von Forschungsergebnissen zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine systematische Literaturrecherche in der Meta-Datenbank „Pubmed“ im Juli 2016 durchgeführt. Bei dieser Recherche wurden als Suchbegriffe „sports club“ (Sportverein) und „health“ (Gesundheit) verwendet. Die Suche ergab insgesamt 1685 Treffer. Von diesen Studien wurden die Titel und Abstracts (Zusammenfassungen) gesichtet. In die vertiefende Analyse wurden jene Arbeiten inkludiert, bei denen es sich um Originalstudien oder Übersichtsartikel handelte und die Daten zu den Auswirkungen der Mitgliedschaft in einem Sportverein auf die psychische und/oder soziale Gesundheit beinhalteten. Studien, die ausschließlich die Auswirkungen auf die physische Gesundheit, andere Formen von organisiertem Sport (z.B. Sportkurse), die Auswirkungen auf spezielle Zielgruppen (z.B. Krebskranke, indigene Völker) untersuchten oder in denen die Effekte der Mitgliedschaft im Sportverein nicht isoliert untersucht wurden, wurden ausgeschlossen.

Insgesamt wurden 27 Originalstudien und 3 Übersichtsartikel im Volltext analysiert, wobei 15 der Originalstudien sowie alle 3 Übersichtsartikel in die Untersuchung eingeschlossen werden konnten. Die Studien beinhalteten Daten aus 8 unterschiedlichen Ländern (Australien: 4, Deutschland: 2, Island: 1, Japan: 1, Korea: 1, Norwegen: 2, USA: 1, Vereinigtes Königreich: 2) sowie eine 6-Länder-übergreifende Untersuchung (Belgien, Kanada, England, Italien, Polen, Rumänien).

Aus den insgesamt 18 inkludierten Arbeiten wurden die Kernaussagen ausgewählt und thematisch zusammengefasst. Aufbauend auf den Kernaussagen wurden fünf Effekte der aktiven Mitgliedschaft in einem Sportverein auf die psychosoziale Gesundheit der Mitglieder formuliert. Abschließend ist die Studienauswahl in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt.

4. Ergebnisse

Die nachfolgend zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass eine wichtige Verbindung von Vereinsleben und Gesundheit besteht und daher die Relevanz des Themas eindeutig gegeben ist. Aufgrund der Analyseresultate der vorliegenden Studien sowie unserer Erfahrung können die herausgefilterten Aussagen als Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Effekte der aktiven Mitgliedschaft in Sportvereinen auf die Gesundheit betrachtet werden.

Wie eingangs erörtert haben soziale Beziehungen eine entscheidende Wirkung auf die Gesundheit. Die aktive Mitgliedschaft in einem Sportverein ermöglicht bzw. ist Plattform für eben solche sozialen Beziehungen (Coalter 2005, Wankel & Berger 1990). Es kann daher angenommen werden, dass eine aktive Teilnahme am Vereinsleben sich schon aufgrund der sozialen Dimension alleine positiv auf die Gesundheit des Vereinsmitglieds auswirkt. Neben den vielfach belegten positiven Effekten durch die im Sportverein angebotene Bewegung sind damit zusätzliche Effekte aufgrund der sozialen Komponente zu erwarten. Dieser zusätzliche psychosoziale Nutzen stellt ein Alleinstellungsmerkmal des Sportvereins im Gegensatz zu selbstorganisiertem Sport dar.

Zusätzlich zeigen sich auch Effekte der Vereinsmitgliedschaft, die über den Einzelnen hinausgehen und sich auf die Gesellschaft als Ganzes auswirken.

Im Folgenden sind die wichtigsten gesundheitlich relevanten Effekte aus den analysierten Studien zusammengefasst dargestellt. Hervorzuheben ist, dass die analysierten Studien Effekte in allen Altersstufen und beiden Geschlechtern nachweisen konnten.

  • Die aktive Mitgliedschaft im Sportverein in der Jugend trägt zur Eingliederung in die Gesellschaft bei (und schützt Jugendliche davor auf die schiefe Bahn zu geraten).
  • Die aktive Mitgliedschaft im Sportverein stärkt das Selbstvertrauen von Jugendlichen, insbesondere von Mädchen.
  • Die aktive Mitgliedschaft in einem Sportverein hat positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit (z.B. Vitalität). Diese sind stärker als beim selbstorganisierten Sporttreiben.
  • Sportvereinsmitglieder sind mit ihrem Leben zufrieden(er).
  • Die Mitgliedschaft in einem Sportverein macht Spaß und bringt soziale Unterstützung mit sich. Dies führt auch zu einer regelmäßigeren sportlichen Betätigung.

5. Medizinische Bewertung und Zusammenfassung

Wie eingangs dargelegt, umfasst Gesundheit körperliches und seelisches sowie soziales Wohlbefinden. Während die positiven Wirkungen des Vereinssports auf die körperliche Komponente der Gesundheit breit thematisiert werden, wird den psychosozialen Aspekten in der öffentlichen Diskussion zu wenig Augenmerk geschenkt.

Dieser Fokus ist sowohl innovativ als auch wesentlich, da die positiven Effekte der sozialen Komponente der Ausübung von Sport im Verein – also im Gegensatz zum selbstorganisierten Sporttreiben – bisher zu wenig beachtet und auch unterschätzt wurden.

Im Rahmen der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit wurde die Datenlage zu den bedeutendsten gesundheitlichen Effekten der aktiven Mitgliedschaft in einem Sportverein fundiert erarbeitet und zu Kernaussagen zusammengefasst. Es wurde eine ausführliche Analyse der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse durchgeführt. Insgesamt wurden dazu 1685 Arbeiten gesichtet und nach ihrer Wertigkeit beurteilt.

Die Ergebnisse sind daher als wissenschaftlich belastbare Gesundheitsargumente im Sinne des gemeinnützigen Sports zu verstehen. Anzumerken ist, dass der Nutzen, den die Effekte für die Gesellschaft (z.B. Einsparungen im Gesundheitswesen) haben, nicht berücksichtigt werden konnten. Bei der Frage nach den Wirkungen des Sportvereins sind freilich neben den Effekten auf den Einzelnen auch die Wirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes von Interesse und auch die Verschränkung der Ergebnisse erstrebenswert.

Bei der Beurteilung der Datenlage wurden auch Studien berücksichtigt, die keine oder nur geringe positive Effekte auf die Gesundheit nachweisen konnten (z.B. Floud et al. 2016). In der überwiegenden Zahl der vorliegenden Studien konnten jedoch deutliche Effekte nachgewiesen werden.

Aufgrund der in den Studien nicht zufällig getroffenen Zuordnung zu den jeweiligen Untersuchungsgruppen (Sportvereinsmitglied vs. Nicht-Sportvereinsmitglied), kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die gefundenen Positiva nicht Wirkung, sondern Ursache der Sportvereins-Mitgliedschaft sind (Brettschneider 2001). Allerdings haben einige Untersuchungen gezeigt, dass es mit der Ausübung der Sportvereins-Mitgliedschaft zu Veränderungen in gesundheitlich relevanten Parametern kommt (Kim et al. 2014). Auch deuten Studien (Kim et al. 2016, Loucks 2005), die den biologischen Mechanismus der Wirkung sozialer Beziehungen auf die Gesundheit untersuchten, darauf hin, dass die gefundenen positiven Effekte der Sportvereins-Mitgliedschaft tatsächlich kausale Effekte sind.

Hervorzuheben ist, dass die positiven gesundheitlichen Effekte der sozialen Aspekte in Sportvereinen in allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern nachgewiesen werden konnten. Da der Sportverein in diesem Bereich ein Alleinstellungsmerkmal aufweist, das in der (öffentlichen) Diskussion praktisch nicht bekannt ist, ist es auch aus medizinischer und Public Health-Sicht sehr empfehlenswert, diese Aspekte verstärkt zu kommunizieren.

AutorInnen

ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt: OA Assoz.-Prof. PD DI Dr.med. Hans-Peter Hutter, Univ.-Lektor Dr. Peter Wallner, Mag.a Anna Wanka
Österreichische Bundes-Sportorganisation: Mag. Dr. Christian Gormász, Mag.a Anna-Maria Wiesner
SPORTUNION Österreich: Mag. Rainer Rößlhuber