Sport Austria - Interessenvertretung und Serviceorganisation des organisierten
Sports in Österreich.

Wiederholung der Mikrozensusbefragung zeigt deutliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Sportvereinsmitgliedschaften und die Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots im Sportverein nahmen ab - größte Rückgewinnungs-Aktion der heimischen Sportgeschichte angelaufen

2017 wurden im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung über 8.000 Personen Fragen zur Sportvereinsmitgliedschaft, Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots im Sportverein, sowie Funktionen und Tätigkeiten im Sportverein gestellt. Dadurch lagen erstmals repräsentative Daten über die Sportvereinsaktivitäten der österreichischen Bevölkerung vor. Im 3. Quartal 2020 und 1. Quartal 2021 wurde diese Befragung nun wiederholt.

 

Das Ergebnis ist alarmierend! Denn COVID-19 hat sich gravierend auf Österreichs Sportvereinsmitgliedschaften und die Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots der Vereine ausgewirkt: Waren laut Mikrozensusbefragung der Statistik Austria im Jahr 2017 rund 2,1 Millionen Menschen oder rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung Mitglied in zumindest einem Sportverein, ist dieser Anteil bei der nun zweiten Befragung auf rund 1,6 Millionen oder 18% der Bevölkerung zurückgegangen. Das entspricht einem Rückgang von 550.000 Sportvereinsmitgliedschaften im Vergleich zu 2017! Besonders auffällig ist der Rückgang bei den Jüngsten (0 bis 5 Jahre) mit minus 54 Prozent. Die Schulpflicht federt diesen Effekt ab (6 bis 9 Jahre: minus 22%, 10 bis 15 Jahre: minus 31%). Danach geht es allerdings wieder nach unten (16 bis 19 Jahre: minus 46%). Bei den Erwachsenen liegt der Effekt, abhängig von der Altersgruppe, zwischen minus 14 und minus 31%.

Auch die Nutzung des Sportangebots durch die Vereinsmitglieder ist zurückgegangen. Bei den regelmäßigen NutzerInnen (d.h. mindestens einmal pro Woche) kam es zu einem Rückgang von 62 auf 45%. Hingegen stieg der Anteil der Mitglieder, die das Sportangebot im Verein nie nutzten, von 10 auf 40%. Somit kommt zum Verlust von Sportvereinsmitgliedern auch noch eine Reduktion der Aktivität der bestehenden Mitglieder hinzu.

Sportvereinsmitgliedschaften gesunken

2017 ergab die Hochrechnung der Befragung, dass rund ein Viertel der Menschen in Österreich (2,1 Millionen) Mitglied in zumindest einem Sportverein waren. Dieser Anteil verringerte sich bis zur zweiten Befragung auf rund 18 % bzw. 1,6 Millionen Menschen.

Der Anteil der Menschen, die Mitglied im Sportverein sind, ist vom Alter abhängig. 2017 lag der höchste Anteil in der Alterskategorie „10 bis unter 16 Jahre“. Ab Ende der Schulpflicht nahm der Anteil stetig ab, um sich ab einem Alter von 30-39 Jahren bei rund 22 % einzupendeln. Mit dem Ende des Erwerbslebens, bei Männern zwischen 60 und 69 Jahren sowie bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren, kam es nochmals zu einem leichten Anstieg. Wie ersichtlich, lag der höchste Anteil auch 2020 in der Altersgruppe „10 bis unter 16 Jahre“, doch kam es in alle Altersgruppen zu einem Rückgang. Unter Berücksichtigung der Ausgangwerte war dieser in der Altersgruppe „unter 6 Jahre“ am stärksten.

Auch das Geschlecht spielt eine Rolle hinsichtlich der Mitgliedschaft im Sportverein. Zwar sank sowohl bei den Männern als auch den Frauen der Anteil der Sportvereinsmitglieder (Männer: 2020: 22 %, 2017: 31 %, Frauen: 2020: 13 %, 2017: 18 %), die Differenz zwischen den beiden Geschlechtern blieb aber bestehen (2020: 9 %, 2017: 13 %).

Im Gegensatz zu Menschen ohne Migrationshintergrund, von denen 21 % zum zweiten Befragungszeitpunkt Sportvereinsmitglieder waren, lag der Anteil bei Migrationshintergrund (d. h. beide Elternteile wurden im Ausland geboren) bei 9 %. Einen vergleichbaren Unterschied zeigte bereits die Befragung 2017 (2020: 12 %, 2017: 14 %), wobei es in beiden Gruppen zu einem Rückgang kam.

Auch 2020 zeigte sich, dass der Anteil der Sportvereinsmitgliedschaft mit der Höhe der Bevölkerungsdichte sinkt (niedrige Dichte: 21 %, mittlere Dichte: 19 %, hohe Dichte: 13 %). Es kam in allen drei Settings, bezogen auf die jeweilige Mitgliederanzahl, zu einer ähnlich großen Abnahme (rund 27 %).

Bezüglich des Bildungsniveaus konnte zu beiden Zeitpunkten der Befragung beobachtet werden, dass die Sportvereinsmitgliedschaften mit der Höhe der abgeschlossenen Ausbildung anstiegen. So waren das 2020 bei Menschen mit maximal einem Pflichtschulabschluss 9 %, Lehre oder berufsbildender mittlere Schule 17 %, höherer Schule 21 % und Akademie, Universität oder Fachhochschule 23 %. Bei allen Bildungsniveaus kam es zu einer Abnahme im Vergleich zu 2017, wobei dieser nicht einheitlich erfolgte. Der größte Rückgang konnte beim niedrigsten Bildungsniveau verzeichnet werden, während es bei den UniversitätsabsolventInnen zum geringsten Rückgang kam.

Weiters kam es zu einem deutlichen Rückgang der Nutzung des Sportangebots durch die Mitglieder. Wie dargestellt, kam es bei den regelmäßigen NutzerInnen (d. h. mindestens einmal pro Woche) zu einem Rückgang von 62 % auf 45 %. Hingegen stieg der Anteil der Mitglieder, die das Sportangebot im Verein nie nutzten, von 10 % auf 40 %. Somit kommt zum Verlust von Sportvereinsmitgliedern auch noch eine Reduktion der Aktivität der verbliebenen Mitglieder hinzu.

2017 waren 9 % der Sportvereinsmitglieder als FunktionärInnen, d. h. als Obfrau/Obmann, KassierIn, SchriftführerIn etc. tätig. Dieser Anteil stieg bis zur zweiten Befragung auf 12 %, wobei die absolute Zahl nahezu konstant blieb (2020: 148.000, 2017: 140.000). Bei den Personen, die vor allem für den aktiven Sport- und Wettkampfbetrieb zuständig sind, kam es zu einer Verringerung der Anzahl: TrainerInnen (2020: 67.000, 2017: 96.000), SchiedsrichterInnen (2020: 12.000, 2017: 13.000) und ehrenamtliche Hilfskräfte (2020: 127.000, 2017: 240.000).

Durch die im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebungen gewonnenen Daten können einerseits allgemein gültige Aussagen für die österreichische Bevölkerung getroffen werden. Andererseits ermöglicht die Wiederholung der Befragung die Durchführung von Längsschnittanalysen. Doch sind bei allen Zeitvergleichen die außergewöhnlichen Rahmenbedingungen zu beachten! So kam es einerseits im Sportbetrieb bereits mit Anfang März 2020 zu Einschränkungen, die in einem totalen Lockdown mündeten. Andererseits erfolgte die zweite Befragung zu einer Zeit, in der die Ausübung von Sport im Sportverein nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich war.

Dies spiegelt sich sowohl in einer Abnahme der Sportvereinsmitgliedschaften um 27 % wider – Vergleichbares berichtet auch die Deutsche Presse-Agentur aus Norddeutschland – als auch in einem deutlichen Rückgang der Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots (regelmäßige Nutzung: Abnahme um ca. ein Drittel, keine Nutzung: Verdreifachung). Dieses Ergebnis wird auch durch eine von Sport Austria unterstützte Studie der OBSERVER Brand Intelligence GmbH bestätigt.

Doch die Abnahme der Sportvereinsmitgliedschaften ist nicht gleichmäßig auf die unterschiedlichen Altersgruppen verteilt. Besonders bei den Jüngsten (unter 6 Jahre) war der Rückgang mit 54 % besonders stark ausgeprägt. Ursache dafür könnte sein, dass in diesem Alter Kinder das erste Mal in den Sportverein kommen. Somit handelt es sich faktisch nicht um einen Verlust von bestehenden Mitgliedern, sondern es konnten viele Kinder auf Grund der „geschlossenen Vereine“ erst gar nicht Mitglied werden.

Im Vergleich dazu konnte bei anderen soziodemografischen Merkmalen, wie Geschlecht, Migrationshintergrund, Urbanisierungsgrad oder Bildungsniveaus, kein eindeutiges Bild beobachtet werden. Lediglich ein besonders niedriges (maximal Pflichtschulabschluss) bzw. hohes Bildungsniveau (Akademie, Universität, Fachhochschule) könnten Auswirkungen auf den Austritt bzw. den Verbleib im Sportverein gehabt haben.

Auch legt der Vergleich der Mitgliedschaftsdaten, die von den Sport Austria-Mitgliedern jährlich gemeldet werden, nahe, dass nicht alle Sportarten gleich betroffen sind. So haben einige Sportverbände im Vergleich zum Jahr 2019 in 2020 deutlich an Mitgliedern dazugewonnen, andere dafür deutlich verloren. Unter den „Gewinnern“ befinden sich Individualsportarten, die im Freien ausgeführt werden können (z. B. Golf, Tennis), unter den „Verlierern“ Mannschaftssportarten und Kontaktsportarten (z. B. Fußball, Judo). Dies ist insofern schlüssig, als die Verordnungen des Gesundheitsministeriums das Öffnen von Outdoorsportstätten vor Indoorsportstätten ermöglichten und Mannschafts- und Kontaktsportarten deutlich länger eingeschränkt waren. Insgesamt ergibt sich aber ein uneinheitliches Bild, dessen Ursache in den unterschiedlichen Zählmethoden und -zeitpunkten (Winter- vs. Sommersportarten) liegen könnte.

Ein funktionierendes Vereinsleben, aber auch das Überleben des Vereins in der Krise, wäre ohne ehrenamtliche FunktionärInnen undenkbar. Dies spiegelt sich auch in den Befragungen wider. So kam es zwar bei den Personen, die für den aktiven Sport- und Wettkampfbetrieb zuständig sind (TrainerInnen, SchiedsrichterInnen und ehrenamtlichen Hilfskräften) zu einem Rückgang, doch bei den FunktionärInnen im engeren Sinn, wie Obfrau/Obmann, KassierIn, SchriftführerIn, blieb die Zahl trotz sinkender Mitglieder konstant.

Diesen – auch aus volkswirtschaftlicher Sicht – alarmierenden Zahlen wird offensiv gegengesteuert. Das von Sportministerium, Sport Austria, Dach - und Fachverbänden sowie externen ExpertInnen erarbeitete #comebackstronger-Maßnahmen-Paket mit 57 Vorschlägen leitet die größte Mitgliederrückgewinnungs-Aktion der österreichischen Sportgeschichte ein. Sport Austria-Präsident Hans Niessl: „Wir müssen die Sport-Kollateralschäden der Pandemie reparieren und die Menschen wieder in Bewegung bringen!“

Vieles aus diesem Paket wurde bereits umgesetzt bzw. befindet sich derzeit in Planung oder Umsetzung. Dazu zählt die Aufstockung der Mittel für die Programme „Kinder gesund bewegen 2.0“ und „Bewegt im Park“, aber auch die bundesweite Ausrollung von „Jackpot.fit“, einem maßgeschneiderten, nach den Erkenntnissen der Sportwissenschaft erarbeiteten Programm für bislang körperlich inaktive Menschen. Ebenfalls neu ist der „Lange Tag des Sports“, der am 24. September erstmals in Schulen und Sportvereinen zelebriert wird und mehr Bewegung ins Leben von Jung und Alt bringen soll.

Als Herzstück der Initiative #comebackstronger gilt der „Sportbonus“. „Es ist die größte Rückgewinnungsaktion und das höchstdotierte einzelne Bewegungsprojekt der österreichischen Sportgeschichte. Bewegungswillige, die 2021 kein sportlich aktives Mitglied des ausgewählten Vereines waren, können eine um bis zu 75% reduzierte Mitgliedschaft erwerben. Der Zuschuss des Sportministeriums ist mit 90 Euro pro Person gedeckelt. „Wird das Programm voll ausgeschöpft, löst das über 5 Millionen zusätzliche Bewegungsstunden aus. Ein starker Impuls für mehr Gesundheit und Lebensfreude“, freut sich Kogler.

Statistik Austria-Expertin Jeannette Klimont:
„Der in Österreich besonders im ländlichen Raum an sich starke Vereinssport war aufgrund der Corona-Pandemie nur eingeschränkt möglich: Im Jahr 2020 waren österreichweit 1,6 Millionen Menschen Mitglied in einem Sportverein, um 550.000 weniger als noch 2017. Besonders hoch ist der Rückgang bei den Zehn- bis 19-Jährigen ausgefallen.“

Sport Austria-Präsident Hans Niessl:
„Dem pandemiebedingten drastischen Rückgang der Vereinsmitgliedschaften folgt nun die größte Mitglieder-Rückgewinnungs-Aktion der österreichischen Sportgeschichte. Mit dem #comebackstronger-Paket und dem erstmals durchgeführten "Langen Tag des Sports" in den Schulen und Sportvereinen (24. September, Anm.) sowie dem traditionellen "Tag des Sports" im Prater (25. September, Anm.) werden die dafür notwendigen wichtigen Impulse gesetzt. Durch die Unterstützung aus dem NPO-Fonds ist es gelungen, die heimische Sportstruktur und Sportkultur zu bewahren. Das ist die Grundlage dafür, dass wir nun die Rück- und Neugewinnung von Mitgliedern in Angriff nehmen können. Die steigenden Covid-Zahlen zeigen aber, dass die Pandemie nicht vorbei ist. Deshalb mein Appell an unsere Sportvereine und Vereinsmitglieder: Halten wir uns weiterhin an die Maßnahmen! Der Sport muss geöffnet bleiben, damit Österreichs 15.000 Sportvereine ihren großen Beitrag zur physischen und psychischen Gesundheit der Bevölkerung leisten können und das Comeback des Vereinssports gelingt.“

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler:
„Die starken Rückgänge schmerzen nicht nur die Kassierinnen und Kassiere, Trainerinnen und Trainer, sie schmerzen auch mich als Sportminister. Obwohl ich eine Art Rebound-Effekt erwarte, weil viele Menschen nach den Einschränkungen im Sport nach Bewegung dürsten, haben wir uns frühzeitig dazu entschieden, den Vereinen den Weg aus der Gesundheitskrise zu ebnen. Einerseits durch finanzielle Unterstützungen – über den NPO-Fonds wurden bisher 117,5 Mio. Euro an gemeinnützige Sportvereine ausbezahlt – andererseits durch Bewegungsprogramme und konkrete Maßnahmen. Seit November arbeiten der organisierte Sport sowie Expertinnen und Experten inner- und außerhalb des Ministeriums an Maßnahmen gegen Bewegungsarmut und Stillstand. Ich danke allen für die überaus konstruktive Zusammenarbeit und das richtungsweisende Maßnahmenpaket.“

Claudia Karollus, Sportliche Leiterin der Union West-Wien:
„Die Union West-Wien war vor der Pandemie einer der größten Sportvereine Österreichs mit über 5.400 Mitgliedern. Durch die Pandemie haben wir etwa 30 % der Mitglieder verloren. Vor allem bei den Kindern bis 18 Jahren und Seniorinnen und Senioren sind die Rückgänge besonders groß. Die Gründe für den Rückgang reichen von der Angst vor Ansteckung – vor allem bei älteren Personen – über die Unsicherheit, ob ein konstanter Übungsbetrieb überhaupt stattfinden kann, bis zur vermehrten Ausübung von Individualsport. Finanziell überleben wir derzeit nur dank des NPO-Fonds. Wir sind trotzdem zuversichtlich, die Mitgliederzahlen wieder steigern zu können. Wichtig: Sport muss von der Politik als Querschnittssaufgabe verstanden werden.“